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Mobbing auf der Bühne und im NetzSchülertheater – Neuntklässler der Weiterstädter Dürerschule beschäftigen sich mit Risiken des Internets
 Viele Motive gibt es nach dem Mord an einer aggressiven Schülerin. Foto: Alexander Heimann
Weiterstadt Das Stück beginnt mit einer Leiche, zunächst weiß niemand über das Wie und Wieso Bescheid. Nur das Wer ist klar: Bei der Toten handelt sich es sich um Schülerin Jana (gespielt von Vanessa Schnellbächer und Charleen Knöbel), ein lautes, aggressives Mädchen, das andere mit Taten und Worten quält. Dementsprechend viele haben ein Motiv. Die beiden Kommissare Lose und Strumpf (René Busch und Kim Hütten) treffen auf Schweigen und Widerstand.
„Die Szenen zu dem Stück Post it wurden von den Schülern selbst entwickelt“, berichtet Sebastian Herdler, der die Gruppe des Wahlpflichtfaches Theater betreut und Regie führt. „Von mir kam der Impuls, ein Stück auf Improvisationsbasis zu spielen, und wir einigten und schnell auf eine Tatort-Szene und die Facebook-Diskussion als Handelsstrang. Von da an entwickelte es sich ständig weiter.“ Die Gruppe, die aus 26 Schülern mehrerer neunter Klassen aus dem Gymnasialzweig der Albrecht-Dürer-Schule besteht, fuhr zur Probe sogar für ein Wochenende nach Ernsthofen, um dem Stück den letzten Schliff zu geben. Das Stück zeigt chronologisch, wie es zu dem Mord an der Schülerin kommen konnte. Vor allem der Hintergrund der einzelnen Schüler in Janas Klasse wird beleuchtet, hinter jedem Charakter steht ein Schicksal: Am meisten leidet Elisa (Michelle Horle), ein ruhiges, gewissenhaftes Mädchen, das seine Hausaufgaben pünktlich erledigt und sich große Mühe gibt, nicht aufzufallen. Auf sie hat Jana es besonders abgesehen. Elisas Versuche, sich durch Stillhalten und Ertragen Janas Attacken zu entziehen, werden von ihr als Schwäche gewertet.
Dass die beiden Hobbyfilmer Antoine und Hans (Schervin Sadegh und Luca Kölsch) all das mit ihrer Handykamera filmen und im Internet veröffentlichten, macht es nicht leichter: Jetzt ist das Dokument überall verfügbar und wird von den anderen Schülern mehr oder weniger bissig kommentiert. Doch es trifft nicht nur Elisa, auch andere Schüler müssen einstecken. Thematisiert wird auch die Beziehung der Schüler zu den Eltern, die – wie sollte es anders sein – natürlich überhaupt nicht verstehen, um was es geht: Elisas Eltern interessieren sich mehr für den nächsten Urlaub zu zweit als für ihre Tochter, Antoines Mutter fühlt sich schuldig wegen ihrer Scheidung und gesteht ihrem Sohn alle Dummheiten zu, Jana wird von ihrem Stiefvater sexuell belästigt – der eigentliche Grund für ihren Zorn. „Eigentlich war Elisa das Opfer in der Geschichte, sie musste grundlos am meisten leiden“, fasst Mona Ehrenreich zusammen. Sie spielt Karla, ein Mädchen, dass Elisa verteidigt und von ihrer Mutter zu Bestleistungen in der Schule getrieben wird. Die anderen stimmen ihr zu, sie sagen, dass man andere immer so behandeln soll, wie man selbst behandelt werden möchte. Und sie sprechen aus Erfahrung: Jeder von ihnen hat einen eigenen Facebook-Account, fast alle kennen einen Mitschüler, der schon mal im Internet gedemütigt wurde. „In meiner Klasse hatten wir mal so etwas, es ging um ein Foto“, erinnert sich Johannes Schneider, „das war damals ein echtes Problem.“ Schervin Sadegh sagt zur Resonanz auf das Stück: „Wir haben viele positive Rückmeldungen bekommen.“ Einige Freunde hätten ihre Komplimente auf die Facebook-Pinnwand gepostet, auch Erinnerungsfotos wollen sie dort hochladen. Der Grat im Internet ist schmal, ein Bewusstsein für Chancen, aber auch Risiken daher umso wichtiger. Betreuer Sebastian Herdler zumindest schätzt, dass sie bei der Vorbereitung und Aufführung des Stückes alle etwas gelernt hätten. 28. Februar 2012 | sak

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